>

„Alle zusammen für Preußen Münster„

Preußen-Geschäftsführer Ole Kittner im Interview

Ole Kittner heißt seit dieser Saison der neue Sportchef des SC Preußen Münster. Der gebürtige Münsteraner ist ein echtes Eigengewächs, obwohl er erst mit Ende 20 das erste Mal als Fußballer für die Preußen auflief. Vier Jahre später, nach dem Abstieg aus Liga 3 mit dem Sportclub, beendete er 2020 seine Profilaufbahn. Und eigentlich sollte eine Karriere als studierter Sportpsychologe folgen. Aber das sollte anders kommen… Wir sprachen mit ihm über diesen Rollentausch, das neue Stadion und Münsters anhaltende Preußen-Euphorie.

Ist von der Aufstiegseuphorie aus dem Sommer noch etwas übrig?

Auf jeden Fall! Wir sind danach allerdings schnell in diesen Arbeitsmodus gekommen, weil einfach direkt super viel anstand. Von den Vorbereitungen für die Lizenz über die Umbaumaßnahmen bis zur Kader-Planung und so weiter. Aber ja, ab und zu denkt man natürlich schon zurück. Und wenn man durch die Stadt läuft und am Rathaus vorbeigeht... ja, dann fühlt man sich noch mal kurz zurückversetzt und denkt: Geil, das waren echt tolle Momente!

Noch vor gut zweieinhalb Jahren warst Du mit Deiner StartUp- Praxis für Sportpsychologie Untermieter unserer Bürogemeinschaft in der Königsstraße und Preußen spielte in der 4. Liga. Heute bist Du Geschäftsführer eines Bundesliga-Zweitligisten. Wie ist es dazu gekommen und fühlt sich das noch immer etwas irreal an?

Ich hatte die Preußen schon zuvor tageweise im Bereich Marketing und Kommunikation unterstützt. Der Kontakt ist also nie wirklich abgerissen. Die Anfrage kam dann aber schon überraschend. Die Geschäftsführung wurde in drei Bereiche aufgeteilt. Und ich wurde gefragt, ob ich den Bereich Marketingstrategie und Kommunikation übernehmen wollte. Das hat mich sofort gereizt, weil es darum ging, etwas Dauerhaftes aufzubauen was mir bei der Arbeit zuvor etwas gefehlt hat. Immer, wenn Probleme gelöst waren, musste man wieder bei Null anfangen. Und jetzt ist es so, dass wir, angefangen bei der Infrastruktur, ganz viele Dinge entwickeln dürfen, die aufeinander aufsetzen.

Seit der Saison 24/25 bis Du als Geschäftsführer auch für den sportlichen Bereich zuständig. Inwieweit hilft dir da dein Master in Psychologie? Wie viel Psychologie steckt im Fußball?

Aus meiner Sicht sehr viel. Mein vereinfachtes Modell besagt, dass jeder Spieler ein bestimmtes Leistungspotenzial hat und es immer Widerstände und Faktoren gibt, die verhindern, dass er dieses voll ausschöpfen kann. Diese Faktoren sind oft äußerer Natur, also dass man zum Beispiel nicht aufgestellt wird oder einen extrem guten Gegenspieler hat. Aber zu einem ganz großen Anteil sind diese Gründe auch innerer Natur. Man hat Zweifel, wenn man sie nicht haben sollte. Oder schafft es nicht, sich in die mentale Verfassung zu bringen, um seine bestmögliche Leistung abzurufen. Das kennt jeder. Ich glaube, auf dieser Ebene gibt es im Sport noch sehr viele Möglichkeiten, besser zu werden.

„Ich glaube, dass es schon länger einen Schulterschluss mit der Stadt, den Menschen und der Region gibt“.

Du kannst Dich ja noch gut in die Lage versetzen, wie es ist, auf dem Platz zu stehen. Schließlich hast Du von 2016 bis 2020 selbst als Innenverteidiger für den Preußen Münster gespielt. Wie hat sich Deine Sicht auf den Fußball verändert, seit Du vom Platz ins Management gewechselt bist?

Als Spieler muss man sich eigentlich nicht um die Rahmenbedingungen kümmern. Das Trainerteam strukturiert den Tagesablauf und die Trainingseinheiten – da kann man sich drauf verlassen und am Ende ist man nur verantwortlich für seine Leistung auf dem Platz. Jetzt im Management ist es viel ganzheitlicher. Es gilt, viele Dinge gegeneinander abzuwägen oder in Verbindung zu bringen, um bestmögliche Umstände zu schaen, damit nachher die Mannschaft auf dem Platz erfolgreich sein kann. Aber auch damit es eine bestimmte Akzeptanz für den Verein in der Stadtgesellschaft gibt.

„Akzeptanz in der Stadtgesellschaft“ ist ein gutes Stichwort. Preußen Münster galt lange Jahre als etwas unsexy in Münster. Heute laufen Menschen ganz selbstverständlich mit Preußen-Trikot durch die Stadt. Liegt das nur am Erfolg oder steckt mehr dahinter?

Ich glaube, dass das nicht nur die Folge des Erfolgs ist, sondern dass der Erfolg eher eine Folge dessen ist, dass es schon länger einen Schulterschluss mit der Stadt, den Menschen und auch der Region gibt. Der für mich eindrücklichste Moment in der jüngeren Vergangenheit war, als wir im Juni 2022 am letzten Spieltag vor ausverkauftem Haus wegen drei fehlender Tore nicht aufgestiegen sind. Gegen Köln war das, glaube ich. Damals hat sich im Stadion der „Schlachtruf“ entwickelt „Alle zusammen für Preußen Münster!“, der uns noch heute in der zweiten Liga trägt und den die Mannschaft nach jedem Spiel anklatscht, ob Sieg, Unentschieden oder Niederlage. In dieser Zeit, als wir gescheitert sind, ist diese gewisse Identifikation entstanden zwischen den Menschen und dem Club, die aus meiner Sicht auch heute noch so Bestand hat und vielleicht sogar noch etwas intensiver geworden ist. Nimm zum Beispiel das Auswärtsspiel in Hamburg im Herbst, als 8000 Menschen aus Münster nach Hamburg gereist sind. Wir haben dann verloren, weil wir in der zweiten Liga natürlich auch immer wieder ein Stück weit an Grenzen stoßen, aber trotzdem war auch nach diesem Spiel dieses „Alle zusammen für den Preußen Münster“-Gefühl so intensiv spürbar! In vielen anderen Vereinen schlägt da schnell die Stimmung um und es wird sehr negativ und destruktiv.

Wie möchtet Ihr das beibehalten oder sogar noch mehr Teil des Stadtgeschehens werden?

Ich bin davon überzeugt, dass unser Ansatz nicht sein sollte, dass es ausschließlich um die Ergebnisse geht, sondern um die Art und Weise, wie der Club und die Menschen im Club arbeiten. Wir teilen eine sehr ehrliche und transparente Erwartungshaltung mit, weil ich glaube, dass Enttäuschungen entstehen, wenn man das, was man sich erhofft hat, nicht bekommt. Wenn wir aber sehr ehrlich sind, uns nicht größer machen als wir sind, aber an bestimmten Stellen durchaus ambitioniert sind - dann haben wir eine sehr gute Chance, die Erwartungshaltung der Fans auch zu treffen.

 

"Wir müssen es schaffen, das typische Preußen-Münster- Gefühl in dieses neue Stadion zu transportieren."

 

Das neue Stadion soll 2028 fertig werden und mindestens 19.000 Fans einen überdachten Platz bieten. Eine riesige Chance für den Verein. Oder gibt es auch etwas Wehmut, hinsichtlich des alten, liebevoll als Antik-Arena titulierten Stadions?

Das ist doch jetzt das, was wir uns erhofft haben! Es gibt aber eine Sache, auf die wir Wert legen müssen: Das Stadion ist ja auch eine Heimat der Fans, die über Jahrzehnte gewachsen ist. Jetzt entsteht in relativ kurzer Zeit etwas Neues und wir müssen aufpassen, dass wir trotzdem unsere Identität und die Wurzeln und alles das, was Preußen ausmacht, dass wir das in dieses neue Szenario übertragen. Preußen Münster soll immer noch genauso spürbar und wiedererkennbar sein, wie das im alten Preußen Stadion der Fall war. Natürlich – deshalb machen wir es ja – lauter und mit mehr Möglichkeiten für Menschen, für die das Stadion jetzt gerade einfach nicht gemacht ist. Zum Beispiel kann man aktuell kaum mit Kleinkindern ins Stadion gehen und es gibt auch viel zu wenige Sitzplätze für den Public Bereich.

Erst mal kommt aber noch viel Arbeit auf den Verein zu? Während der Bauzeit fallen ja erst einmal Tribünen weg.

Diese Zeit wird mit Sicherheit anstrengend für alle. Für uns, weil wir einfach mit weniger Kapazitäten rechnen können und damit natürlich auch bestimmte Budgets kleiner werden. Für die Fans wird es hart, wenn sie ihre Stammplätze verlassen müssen. Und stimmungsmäßig wird es teilweise auch schwierig die nächsten drei Jahre, weil dann einfach Tribünen fehlen. Das wird also noch mal eine richtig intensive Probe oder Herausforderung für alle. Und wenn dann alles steht, bin ich davon überzeugt, dass Preußen Münster sich auf jeden Fall nachhaltig sehr, sehr gut in der zweiten Liga etablieren kann.

Mit Preußen, den WWU Baskets und den Damen-Volleyballerinnen vom USC sind am Berg Fidel ja gleich drei erfolgreiche Teams auf engstem Raum versammelt, die wirklich viele Fans begeistern. Hat der Leistungssport einen neuen Stellenwert in Münster?

Das ist das Schöne am Sport. Er kann unterschiedlichste Menschen zusammenbringen und dann ist es egal, welchen Job oder biografischen Hintergrund man mitbringt. Da gucken alle aufs Spiel, können sich darüber unterhalten und haben einen gemeinsamen Bezugspunkt. Das ist schön im Preußenstadion zu sehen, aber das machen auch gerade die Baskets richtig gut. Der USC steht gerade vor einem Umbruch, bietet aber seit Jahrzehnten Erstliga-Volleyball für Münster und viele, viele Fans. Man kann schon sagen, das Münster den Sport als gesellschaftliches Ereignis in den letzten Jahren neu entdeckt hat.

Du bist im August zum zweiten Mal Vater geworden. Herzlichen Glückwunsch. Bleibt Dir da noch Zeit auszugehen?

Danke schön. Wenig, aber ab und zu schon.

Hast Du Lieblingsspots in der Stadt außer dem Preußen-Stadion?

(überlegt) Was sind meine Lieblingsorte? Also ich gehe auf jeden Fall gerne mit meiner Tochter über die Westerholtsche Wiese mit der renaturierten Aa und dann dort zum Spielplatz am alten Zoo. Ich finde es richtig schön da. Was Lokale betrifft, bin ich gerne mal im Kleinen Kiepenkerl oder auch bei Chay Chay. Aber zuletzt eher weniger, man kann natürlich mit zwei kleinen Kindern abends nicht wirklich ausgehen. Aber wenn es doch mal klappt, gibt es ja so viele kleine coole Lokale wie zum Beispiel das FREUNDSCHAFT im Martiniviertel. Man trifft mich aber eher in einem Café wie der Roestbar als in irgendeiner Bar.

Wir halten die Augen offen auf den Spielplätzen und in den Cafés dieser Stadt. Vielen Dank für das interessante Gespräch!

 

Ole Kittner, 37 Jahre: Der gebürtige Münsteraner spielte zunächst für Münster 08, war dann als Profi für RW Ahlen, TuS Koblenz und den SV Sandhausen aktiv, bevor ihn eine schwere Verletzung aus der Bahn warf. Drei Jahre später, 2016, schaute er einfach mal beim Training des Drittligisten Preußen Münster vorbei und war danach 4 Saisons aus der Innenverteidigung des Bundesligisten nicht mehr wegzudenken. Nach dem Abstieg der Preußen in Liga 4 war dann Schluss mit dem Profi-Fußball. Ole beendete sein Studium, eröffnete eine Praxis für Sportpsychologie und betreute auch einige Preußen-Spieler. Seit 2022 ist er Geschäftsführer Marketing und zur Saison 2024 hat er auch das Resort Sport übernommen und ist somit auch für die Mannschaft und den Stadionbau hauptverantwortlich.

« zurück